Hätte Priester die Selbstmordpläne eines Gläubigen melden müssen?

Hat sich ein Priester aus Brügge strafbar gemacht, weil er die Hilfsdienste nicht alarmierte? | dpa



Ein Mann aus Brügge, der bereits seit einiger Zeit unter schweren Depressionen litt, hatte sich im Oktober 2015 das Leben genommen. Kurz vor seiner verzweifelten Tat hatte er über eine Stunde mit dem Priester telefoniert und zudem Textnachrichten mit ihm ausgetauscht.

Die Witwe des Mannes entdeckte später die Nachrichten und reichte bei der Staatsanwaltschaft Klage gegen den Priester ein. „Mein Mann hatte dem Priester anvertraut, dass er sich bei uns zu Hause das Leben nehmen würde“, erzählt die Frau im Gespräch mit der Zeitung „Het Nieuwsblad“. „Der Priester kennt unsere Adresse und hat dennoch nichts unternommen. Er hat nicht einmal die Rettungsdienste informiert.“

Der Priester muss nun am Mittwoch vor der Ratskammer erscheinen. Die entscheidet dann darüber, ob sich der Geistliche vor Gericht verantworten muss.

Der Priester selbst sagt, dass er nichts habe unternehmen können. Er beruft sich auf sein Berufsgeheimnis: „Ich habe alles getan, was ich konnte, um ihn davon zu überzeugen, keine voreiligen Entscheidungen zu treffen.“

Verletzung des Beichtgeheimnisses im kirchlichen Recht schwerwiegend

Rik Torfs, Professor für Kirchenrecht an der Katholischen Universität in Löwen, kann das Verhalten des Priesters nachvollziehen. „Das Beichtgeheimnis ist absolut“, sagt er auf Radio 1. „Ein Priester, der das Beichtgeheimnis bricht, wird im kirchlichen Recht mit einer der härtesten Strafen belegt: der Exkommunikation. Das bedeutet, dass er sein Amt nicht weiter ausüben und auch kein Sakrament mehr empfangen darf.“

Sollte der Fall vor Gericht verhandelt und der Priester für schuldig erklärt werden (die Höchststrafe beträgt ein Jahr Haft), hätte das, so Torfs, weitreichende Folgen: „In dem Fall würde jeder Priester künftig bestraft werden: entweder durch die Justiz oder die Kirche selbst. Dann kann ein Priester nur noch wählen, welche Bestrafung für ihn das kleinere Übel darstellt.“

Torfs glaubt zudem nicht, dass der Priester viel hätte tun können: „Der Mann war entschlossen. Er hätte sich dem Priester nicht anvertraut, wenn dieser nicht dem Beichtgeheimnis unterliegen würde. So konnte der Priester aber wenigstens noch sein Bestes tun, den Mann während des Gesprächs davon zu überzeugen, von seinem Plan abzusehen.“

Dass das Gespräch zwischen dem Priester und dem depressiven Mann telefonisch und nicht in einem Beichtstuhl geführt wurde, mache laut Torfs keinen Unterschied: „Normalerweise geschieht die Beichte in einem Beichtstuhl, aber in besonderen Fällen geht das auch überall anders.“