Carles Puigdemont in Belgien: Spiel mit dem Feuer



Staatssekretär Theo Francken hatte am vergangenen Wochenende mit Spekulationen über ein mögliches Asyl für die abgesetzte katalanische Regionalregierung in Belgien viel Ärger auf sich gezogen. Doch nachdem es zunächst so aussah, als habe der streitbare N-VA-Politiker den Mund mal wieder zu voll genommen und ganz bewusst provoziert, wurde im Laufe des Montags deutlich, dass seine Äußerungen nicht aus der Luft gegriffen waren. Am Abend gab es nämlich die Bestätigung, dass der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont tatsächlich nach Belgien ausgereist ist.

Als die flämischen Nationalisten nach den letzten Wahlen Teil der neuen Föderalregierung wurden, warnten Kritiker vor der „versteckten Agenda“ einer separatistischen Partei. Die N-VA gab sich jedoch zahm und betonte, in der laufenden Legislaturperiode keine gemeinschaftspolitischen Forderungen mehr zu erheben. Für radikale Anhänger eines unabhängigen Flanderns war das aber etwas zu viel Realpolitik. Diesen Hintergrund muss man kennen, wenn man das Verhalten der N-VA in der Katalonien-Krise analysiert.

Offiziell steht man zwar zur Linie der Föderalregierung und bewertet den Konflikt um die abtrünnige Region als innerspanische Angelegenheit. Einzelne N-VA-Politiker sympathisieren aber offen mit der Unabhängigkeitsbewegung im Nordosten Spaniens und erscheinen in der Kammer mit der katalanischen Fahne. Am Montagabend hat ein Sprecher der flämischen Nationalisten dementiert, dass die Partei Puigdemont nach Belgien eingeladen habe. Gleichzeitig gab es Berichte, dass es Gespräche mit dem flämischen N-VA-Ministerpräsidenten Geert Bourgeois gab.

Wie dem auch sei, dass Puigdemont nach Belgien gekommen ist, dürfte kein Zufall sein. Ganz bestimmt sind die Strippen schon hinter den Kulissen gezogen worden. Wie es weitergeht, war zunächst unklar. Doch die Folgen für die belgische Diplomatie und die Bedeutung dieser Geschichte für die Innenpolitik darf man nicht unterschätzen. Es gleicht einem Spiel mit dem Feuer.

Das Asylrecht wurde einmal für Menschen geschaffen, die flüchten, weil sie um ihr Leben bangen müssen. Es ist mehr als zynisch, dass dieses Recht nun einem Politiker gewährt werden könnte, der in Spanien wegen Rebellion angeklagt ist, der also in einem EU-Mitgliedsland das Recht gebrochen hat. Und es ist noch zynischer, dass der für Asyl und Migration zuständige Staatssekretär Theo Francken – der so oft abwertend über Flüchtlinge spricht, kein Problem damit zu haben scheint.

Ein Problem damit müssten aber die anderen Regierungsparteien haben. Gespannt sind wir vor allem auf die Reaktion von Premierminister Charles Michel. Spätestens jetzt dürfte der MR-Politiker begriffen haben, warum die neue Mehrheit nach den letzten Wahlen den Beinamen „Kamikaze“-Koalition erhielt.