Piñera Favorit bei Präsidentenwahl in Chile

Chile wählt am Sonntag (19.November) einen neuen Präsidenten, doch Umfragen zufolge wird ein alter Bekannter das Rennen machen. Der konservative Unternehmer und Ex-Präsident Sebastián Piñera hatte das Amt mit den Regierungsvollmachten schon zwischen 2009 und 2013 inne. Davor und danach war die Sozialistin Michelle Bachelet jeweils vier Jahre am Ruder. Sie tritt nun nicht mehr an, aber angesichts von Politikerzank, Korruption und des Drehtüreffekts ständig wiederkehrender Präsidenten macht sich Wahlmüdigkeit breit.

Auch der absehbare Machtwechsel erklärt sich weniger mit dem Wahlprogramm Piñeras, als mit dem Frust der Wähler des Mitte-Links-Lagers. Bachelet war nach ihrem Wahlsieg 2013 zu ihrer zweiten Amtszeit mit einem ambitionierten Reformprogramm angetreten. Ihre Koalition hatte sie durch Einbezug der Kommunistischen Partei nach links erweitert und verfügte über die absolute Mehrheit in beiden Parlamentskammern. So konnte Bachelet den gebührenfreien Universitätszugang für die ärmeren Bevölkerungsschichten, eine Reform des Wahlsystems, eine Stärkung der Gewerkschaften im Arbeitsrecht, die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe und zuletzt die Lockerung des bis dahin absoluten Abtreibungsverbots durchsetzen. Nicht wenig für Chile, das immer noch unter dem Schatten der von Diktator Augusto Pinochet 1980 erlassenen Verfassung steht. Auch zur Reform dieser Verfassung legte Bachelet den Grundstein.

Die Reformen hatten aber einen hohen Preis. Die Debatten mit der Opposition und auch innerhalb der Koalitionspartner führten zu einem enormen Verschleiß. Manche der Kompromiss-Lösungen stellten weder die einen noch die anderen zufrieden. Und die internen Spannungen sprengten auch erstmals seit dem Fall Pinochets das Bündnis zwischen den sozialistischen Parteien und den Christdemokraten.

Am Sonntag tritt deshalb der unabhängige Senator Alejandro Guiller als Kandidat der Koalition „Fuerza de Mayoría“ an, der Sozialisten, Sozialdemokraten und Kommunisten angehören. Die Christdemokraten stellen eine eigene Kandidatin auf, die Parteivorsitzende Carolina Goic.

Piñera kann als Kandidat der rechten Koalition „Chile Vamos“ letzten Umfragen zufolge mit 34,5 Prozent der Stimmen rechnen. Für Guillier sprachen sich 15,4 Prozent der Befragten aus. Die Kandidatin der radikalen Linken Beatriz Sánchez würde 8,5 und der unabhängige Mitte-Links-Politiker Marco Enríquez-Ominami 6,1 Prozent erreichen. Goic würde mit nur 3 Prozent fast bedeutungslos. Wenn keiner der Bewerber über 50 Prozent der Stimmen erhält, fällt die Entscheidung in einer Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen. Wahlberechtigt sind 14,3 Millionen Chilenen. Das große Dilemma aller Parteien ist die Apathie, die sie beim Wahlvolk verbreiten. An den Kommunalwahlen 2016 beteiligten sich nur knapp 35 Prozent. Als Gründe werden die Streitereien zwischen den verschiedenen politischen Lagern und mehrere Korruptionsfälle genannt, die die Kluft zwischen der Politikerklasse und den Bürgern vertieft habe. Die absehbare Rückkehr Piñeras in den Präsidentenpalast La Moneda in Santiago dürfte daran wenig ändern. (dpa)