Maler mit „lebenslänglich“

Unter dem Motto „Kunst kennt keine Grenzen“ nahmen in Nordrhein-Westfalen 20 von 36 Gefängnissen an der ersten Knast-Kulturwoche teil. | dpa

Den verurteilten Mörder sieht man ihm nicht an. Beim Zusammentreffen in dem winzigen „Atelier“ im Aachener Gefängnis ist er Maler. Mit einem Pinsel trägt der Mann satt die Farbe auf die Leinwand auf. Er malt das weite Meer. Früher, als sein Leben noch in Ordnung war, hatte die Familie ein Häuschen an der Ostsee. Eigentlich liebt er den Wald. „Aber ich kann keine Bäume malen“, sagt der Mann in den 50ern. Draußen im Gefängnisflur hängen Bilder von ihm, für die Ausstellung im Rahmen der ersten landesweiten Knast-Kulturwoche, die am Freitag zu Ende ging.

Kunst kann mitten im Gefängnis ein Freiheitsgefühl vermitteln.

Filigran gezeichnete Mystery-Szenen, ein verlassener Stuhl – auf dem Bild ausdrucksstark in Szene gesetzt – sogar ein Papst-Porträt hängt für die Knastkulturwoche an der langen Flurwand – dazwischen der „weinende Engel“ des Malers, eine eigene Interpretation von einem Tattoo. Ist er stolz, dass seine Arbeiten ausgestellt sind?

„Andere haben es besser drauf als ich. Ich bin ein Grobmotoriker. Bei mir muss immer alles spätestens in zwei Tagen fertig sein“, sagt er. Fotografiert werden darf nur ein anderer Häftling beim Malen. Der Gesprächspartner selbst möchte nicht wieder mit einem Bild in den Zeitungen stehen – wie damals. Viele seiner Bilder entstehen in der Zelle. Beim Malen geben die Gedanken in seinem Kopf endlich mal Ruhe. „Aber der Malkurs ist schon wichtig“, sagt er, das Sprechen über die Bilder, die Anregungen der anderen, die Anerkennung.

Für NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) ist diese integrative Kraft der Knastkultur ein wichtiger Aspekt: „Für viele ist es die erste Anerkennung ihrer Arbeit oder ihrer Persönlichkeit überhaupt.“ Kunst vermittle ein Gefühl der Freiheit, sich auszudrücken. Es ist eine Freiheit zwischen langen Fluren und schweren, abgeschlossenen Eisentüren.

Die Knastkultur ist nach Angaben des deutschen Justizministeriums seit vielen Jahren landesweit als wesentlicher Baustein der Resozialisierung etabliert. Resozialisierung fängt für die Leiterin der Aachener JVA, Reina Blikslager, bei der sinnvollen Freizeitgestaltung an. „Viele Straftaten entstehen ja auch schon aus schierer Langeweile“, sagt sie. In der Aachener Anstalt sitzen gut 740 verurteilte Straftäter ein, viele mit langen Haftstrafen. Insgesamt beteiligten sich an der Woche der NRW-Knastkultur 20 von 36 Justizvollzugsanstalten. Es gab Ausstellungen mit Arbeiten aus Mal- und Fotokursen der Insassen. Sie machen Musik, es gibt Workshops, Kabarett und auch Lesungen. Dafür kamen auch Promis in den Knast – wie der Musiker, Unternehmer und Extremsportler Joey Kelly in Bielefeld-Senne. In der Woche der Knastkultur gab es auch Veranstaltungen, die Menschen von draußen besuchen können. In der JVA Castrop-Rauxel haben Insassen und Externe gemeinsam musiziert. In der JVA Dortmund haben Gefangene und Bedienstete sieben Torbögen der Anstalt gestaltet, und wollen das Projekt der Öffentlichkeit vorstellen. Zuschauer von draußen durften auch ins Aachener Theaterstück „Weck mich bitte auf aus diesem Alptraum“.

Auch Promis unterstützten die erste Knast-Kulturwoche.

Probe. Schmuckloser Saal, schlichte Bühne, neun Männer, Regisseurin Ingeborg Meyer: „Männer hört mir bitte zu! Geht bitte auf Anfang!“, sagt sie streng. Es sind Szenen eines Gefängnisalltags und Sätze wie diese: „Wir sind jeden Tag umgeben von lebendigen Toten.“ Oder: „Ich will dem Leben ein Gelächter entlocken.“

Es sind beeindruckende Szenen wie die von dem jungen Mann, der in den Besucherraum geführt wird, voller freudiger Erwartung, die zusehends einer tiefen Traurigkeit weicht – weil niemand kommt. Oder von einer Schlägerei, ausgelöst durch einen einzigen missverstandenen Satz. Ein Häftling schlichtet. Er beginnt zu singen, ein Lied aus seiner Heimat Tansania – weit weg von hier. (dpa)